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"..viele Botaniker haben dieses seltsame und bizarre Phänomen unter physiologischen und systematischen Gesichtspunkten untersucht und viel über die Bizzarria geschrieben. Es muss aber festgestellt werden, dass wir mit unseren Kenntnissen fast am gleichen Punkt wie vor zwei Jahrhunderten sind, als die seltsame Form der Bizzarria zum ersten Mal erschien."
[Otto Penzig, Studi botanici sugli agrumi  1887]

Als der italienische Botaniker Otto Penzig 1887 das damals bekannte Wissen über die Bizzarria zusammenfasste, gab es zwei unterschiedliche Theorien zu ihrer Entstehung. Ein Teil der Botaniker hielt es für möglich, dass bei einer Pfropfung (somatische) Zellen der Unterlage und des Pfropfreises miteinander verschmelzen könnten. In der Folge könne sich daraus eine hybride Pflanze (Pfropfhybrid), wie die Bizzarria, bilden. Diese ungeschlechtliche Entstehung einer neuen Pflanze wurde allerdings von vielen Botanikern bezweifelt.
Eduard Strasburger, der sich Ende des 19. Jahrhunderts intensiv mit pflanzlichen Befruchtungsvorgängen und der Zellteilung beschäftigte, untersuchte auch Bizzarriapflanzen. Dabei stellte er fest, dass die Chromosomenzahl in den Vegetatioskegeln (apikale Meristeme) von Bizzarriasprossen sich nicht von denen bei Zedraten oder Pommeranzen unterschieden. Bei einer vegetativen Verschmelzung der Zellkerne, wie sie die Anhänger der Pfropfhybriden-Theorie annahmen, hätte er eine erhöhte Chromosomenzahl finden müssen. Strassburger schloß damit die somatische Zellverschmelzung bei der Pfropfung als Ursache der Bildung der Bizzarria aus.  Da er keine andere Erklärung sah, kam er zum Schluß, die Bizzarria müsse ein zusammengesetzter sexueller Bastard sein und dessen besondere Eigenschaften seien das Ergebnis einer Aufspaltung  ("Entmischung") seiner Merkmale. Später (nach Winklers Experimenten) widerrief er seine Schlußfolgerungen.
Im Zusammenhang mit den Diskussionen über die Frage, ob bei einer Pfropfung üeberhaupt Hybriden entstehen können und in welcher Weise sich dabei Unterlage und Edelreis beeinflussen, führte der  deutsche Botaniker Hans Winkler 1907 umfangreiche Versuche durch. Es gelang es ihm, an der Pfropfstelle von Solanum Arten Adventivsprosse  zu erzeugen, die in der Folgezeit zu Pflanzen heranwuchsen, die je etwa zur Hälfte die Eigenschaften der beiden beteiligten Arten zeigten. Winkler selbst bezeichnete diese Pflanzen als Chimären, glaubte aber, dass eine (somatische) Zellverschmelzung die Ursache wäre. Spätere Untersuchungen zeigten, das letzteres ein Irtum war. Trotzdem gebührt Hans Winkler die Ehre, als Erster die Entstehung von Pfropfungschimären experimentell nachgewiesen zu haben.
Erwin Baur, der etwa zur gleichen Zeit wie Winkler  bei buntblättrigen Pelagonien ähnliche Erscheinungen beobachtet hatte, erkannte, dass bei Chimären Zellen unterschiedlicher Arten sich so organisieren, dass sie (ohne zu verschmelzen) ein gemeinsames Pflanzenindividuum bilden.

Der Nachweis des Entstehens von pflanzlichen Chimären infolge von Pfropfungen rückte auch die Entstehung der Florentiner Bizzarria, wie sie Pietro Nati 1674 dargestellt hatte, in ein neues Licht.
Die Florentiner Bizzarria